Ruhestandspfarrer Friedrich Schwandt über Strukturen von Kirche und Politik

"Freiheit und Verbindlichkeit in Kirche und Politik". Mit diesem Thema befasste sich die Arbeitsgemeinschaft 60 plus des Kreisverbands Heilbronn-Land - und Vorsitzender Sieghart Brenner zeigte sich überrascht und erfreut über die große Resonanz der Veranstaltung in der SPD-Geschäftsstelle. Der Vortrag von Ruhestandspfarrer Friedrich Schwandt (Leingarten) regte überdies zu einer lebhaften Diskussion mit weiterführenden Vergleichen an.

Schwandt stellte schon eingangs heraus: "Seitdem im vierten Jahrhundert das Christentum den Status einer Staatskirche bekam, haben sich die Strukturen von Staat und Kirche zunehmend angeglichen, auch und gerade in der Verteidigung ihrer Machtpositionen". Schwandt erwähnte die Verfolgung von Häresie wie die Konflikte zwischen Kaiser und Päpste, die kirchlichen und politischen Umbrüche durch die Reformation und die Verbindung von Thron und Altar bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, als aus der Staatskirche die Volkskirche wurde.

Breiten Raum in Schwandts Darlegungen nahm der Begriff der Freiheit ein. Während im Alten Testament die Befreiung des erwählten Volkes Israel durch Gott im Mittelpunkt stehe, habe sich im Neuen Testament Jesus für die Freiheit jedes einzelnen Menschen eingesetzt. Schwandt spannte den Bogen von der Schrift Martin Luthers 1520 "Von der Freiheit eines Christenmenschen" über Freiheitsanklänge in der Französischen Revolution, bei Friedrich Schiller und der deutschen Nationalhymne bis zur EKD-Denkschrift "Kirche der Freiheit". In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte komme das Wort Freiheit dutzendfach vor und sei ebenso ein Zentralbegriff unseres Grundgesetzes.

Freiheit sei elementares Bedürfnis der Menschen, auch im persönlichen Lebenslauf nachvollziehbar, so Schwandt. Die Sehnsucht nach Freiheit steige mit ihrer Bedrohung. So würden alle Kriege zumindest von einer Partei als Freiheitskriege inszeniert. In der Unterdrückung - wowohl von politischer wie kirchlicher Seite - gehöre viel Mut zum Freiheitsbekenntnis, wie die Geschichte bis in jüngster Zeit zeige, und vielen Menschen sei nicht anderes übrig geblieben, als sich in eine innere Freiheit zu flüchten - "die Gedanken sind frei".

In der Demokratie der westlichen Wohlstandsgesellschaften sei das Bewusstsein für Freiheit leider verwässert worden, meinte Schwandt mit Hinweis auf die rückläufige Wahlbeteiligung und die Parteienverdrossenheit. Weniger als ein Prozent der Bundesbürger seien Parteimitglied. Schwandt, der langjähriger Vorsitzender des Heilbronner Seniorenrats ist, warnte er angesichts des verstärkten Individualismus vor einem Missbrauch der Freiheit, sprach sich andererseits auch lobend über an starkes bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement aus.

Zur Sprache kam auch das Selbstverständnis des Staates, die Pressefreiheit unter den Aspekten ihrer Bedrohung und Grenzen sowie das politische Programm der Sozialdemokraten im Laufe ihrer Geschichte. Man war sich einig, dass man Aussagen und Verhalten auch stets im Lichte der Zeitumstände beurteilen muss. Bei aller Kritik an hierarchischen Strukturen der Kirche wurde jedoch auch ihre heutige Bedeutung als moralische Instanz etwa für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit sowie die Bewahrung der Schöpfung hervorgehoben.

Helmut Sauter